20070820

Beten mit der Kirche

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Beten mit der Kirche
Oktober

Der Oktober zählt zu den stillen Zeiten des Kirchenjahres; im Laufe der letzten Jahrhunderte gewann er als Rosenkranzmonat, als Monat des geduldigen Betens, allmählich dennoch sein besonderes Gesicht. Heute freilich hat das Gebet in der Kirche seine Selbstverständlichkeit weithin verloren; wir müssen uns erst wieder neu den Weg zum hörenden und redenden Gott bahnen — oder besser: diesen Weg uns neu schenken lassen. Setzen wir mit unserem Überlegen ruhig beim Rosenkranzgebet an. Warum eigentlich grüßen wir Maria? Führt das nicht auf einen Nebenweg, wo Christus allein die Mitte ist? Darauf könnte man zunächst ganz positivistisch antworten: Wir grüßen sie, weil es einer biblischen Prophetie und damit einer Aufforderung der Heiligen Schrift entspricht: „Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter..." (Lk 1,48). Geht man dieser Antwort weiter nach, so stößt man auch auf den tieferen Grund: Gott, der Unsichtbare und Ewige, hat sich in dieser Welt durch Menschen offenbart, die ihm gleichsam seinen Namen gegeben haben: Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs... Durch Menschen hindurch ist sein Angesicht erkennbar geworden. Wir rühmen ihn selbst, wenn wir dieser Menschen dankend gedenken. Und wir verschweigen etwas von seiner Herrlichkeit, wenn wir aufhören, die zu rühmen, in denen er sich selbst gezeigt hat. In den Menschen, die Gefäße seiner Huld wurden, preisen wir ihn; sie stehen ihm nicht im Wege, sondern verweisen auf ihn.
Damit aber wird ein Weiteres sichtbar: Zum rechten Beten gehört das Mitbeten mit den Glaubenden aller Zeiten. Unsere Gebetskrise rührt nicht zuletzt auch davon her, dass wir, jeder allein, Gott erdenken und erreichen wollen. Aber das isolierte Subjekt ist wirklich verlassen und bleibt im Leeren. Das wahre Subjekt des Betens ist das umfassende Ich des Leibes Christi, des pilgernden Gottesvolkes auf dieser Welt. In ihm reichen wir in die Ewigkeit hinüber, in ihm reichen wir hinein in die Gebetserfahrung der großen Glaubenden, die uns gleichsam ihre Stimme leihen. Nur wer sein kleines Ich in dieses große Ich hinein gibt, erfährt die Öffnung von Zunge und Ohr — das Ephpheta, das zeichenhaft bei den Riten der Taufe geschieht. Diese Entschränkung des Ich, die unsere Stummheit endet, ist freilich ein schmerzlicher Prozess, der unser ganzes Leben währt: herausgehen aus sich selbst, zugehen auf das Ganze der wahren Kirche der Glaubenden. Diese tiefste Bedingung rechten Betens ist zugleich der eigentliche Erziehungsprozess, den Gott mit uns will — der Inhalt der Bewegung christlichen Lebens überhaupt.



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