20070820

Dein Reich komme

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Dein Reich komme
Dezember

Worauf warten wir eigentlich im Advent? Auf Christi erste Ankunft? Sie liegt hinter uns. Auf seine zweite Ankunft? Wir fürchten sie, wir wünschen sie nicht. Auf Weihnachten? Das Warten auf das Fest ist aus einem religiösen zu einem kommerziellen Vorgang geworden, der hernach durch einen anderen abgelöst wird. So scheint es, dass der Christ auf nichts wartet; dass die christliche Hoffnung ein leeres Wort ist und eben deshalb dem Gesetz des Vakuums folgt, sich von anderen Hoffnungen her auffüllen zu lassen. Aber haben wir wirklich nichts zu erwarten? Ist christlicher Glaube wirklich jenes absurde „Warten auf Godot", den niemals Eintreffenden, als das ihn Samuel Becketts Stück kürzlich zu demaskieren versuchte? Liegt Christi erste Ankunft wirklich „hinter uns"? Oder leben nicht ganze Erdteile, leben nicht wir selbst im Grunde noch „vor Christi Geburt"? Nächtigt er nicht noch immer im Stall, und wir, die wir in den Häusern wohnen, wissen es nicht, wollen es nicht wissen, weil wir ja auch gar keinen Platz für ihn hätten? Es gibt Menschen, die noch vor Christus leben: denen der Gott noch nie begegnet ist, der unser Leiden nicht heilt, indem er es beseitigt, sondern indem er es mit leidet, der das Unrecht der Welt dadurch überführt, dass er selbst unter die Opfer der Ungerechtigkeit tritt. Es gibt Menschen, die nach Christus leben — die ihn gesehen haben und weggegangen sind. Ist es nicht seliger, „vor" als „nach" Christus zu leben? Darf seine erste Ankunft je einfach „hinter uns" liegen? Bleibt sie nicht in einem sehr tiefen Sinn immer „voraus"? Müssen wir nicht in Wahrheit ein Leben lang auf sie zugehen, und sollte der Advent uns nicht dazu helfen, auf diesem Wege zu bleiben? So könnte uns allmählich auch sichtbar werden, dass Warten auf die erste und auf die zweite Ankunft Jesu Christi im tiefsten ein und dasselbe ist. Beides bedeutet zuletzt nichts anderes als Eintreten in die innere Dynamik der Bitte „Dein Reich komme".
Wenn die „erste Ankunft" Jesu einmal bei allen angekommen ist, dann wird eben dies die „zweite Ankunft" sein. Wenn alle in den Stall eingetreten sind, dann ist der Stall der Ort der Herrlichkeit. Am Stall scheidet sich die Welt. Das ausgestoßene Kind ist das Gericht — und das Heil.
Aber was ist mit Weihnachten, mit dem Fest, mit der Liturgie der Kirche? Dürfen wir uns freuen? Ja, wir dürfen es. Das Fest bedeutet, dass wir unser Jahr nicht nur von den Gestirnen, sondern von Menschen empfangen, die es vermenschlicht haben — von Menschen, in deren Geschichte Gott eingetreten ist. Das Fest gibt uns nicht nur Anteil am Rhythmus der Gestirne, sondern an Leid und Freude der Menschen vor uns, am Geheimnis Gottes, das sich ihrer Geschichte ein gestiftet hat. Darauf beruht sein Befreiendes, seine Kostbarkeit, seine Freude. Die Welt lebt davon, dass es in ihr die Freude gibt — dass sie nicht erstickt im Konsum, im Genuss, im düsteren Ernst der Ideologie. Die wahre Freude ist ein Geschenk der Gemeinschaft, die Gott als den Ihrigen weiß. Und müssen wir uns nicht auch darauf ganz neu vorzubereiten lernen?



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