20070906

Hilfen zur Meditation

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Quelle und Literatur siehe unten.

Da Edith Stein lange Jahre nicht in den Karmel eintreten konnte, der ihr Raum zur Besinnung und Meditation geboten hätte, versuchte sie als berufstätige Frau, sich jene Atempausen in ihrem reich gefüllten Tagewerk zu schaffen, die sie für notwendig hielt. In einem Brief an berufstätige Frauen gab sie einige Anregungen, wie man innerlich still werden kann. Sie schreibt:
"Was wir tun können und müssen, ist... unsere ganze Seele aufnehmen - und formungsbereit in Gottes Hände legen. Damit hängt zunächst das Leer- und Stillwerden zusammen. Von Natur aus ist die Seele mannigfach erfüllt: so sehr, dass eins immer das andere verdrängt und in ständiger Bewegung, oft in Sturm und Aufruhr hält. Wenn wir morgens erwachen, wollen sich schon die Pflichten und Sorgen des Tages um uns drängen, falls sie nicht schon die Nachtruhe vertrieben haben. Da steigt die unruhige Frage auf: Wie soll das alles in einem Tag untergebracht werden? Wann werde ich dies, wann jenes tun? Und wie soll ich dies und das in Angriff nehmen? Man möchte gehetzt auffahren und los stürmen. Da heißt es, die Zügel in die Hand nehmen und sagen: Gemach! Vor allem darf jetzt gar nichts an mich heran. Meine erste Morgenstunde gehört dem Herrn."
(Sr. Teresia Renata de Spiritu Sancto, Edith Stein - eine große Frau unseres Jahrhunderts (Herder Bücherei) (Freiburg i. Br. 8/1962) S. 84f.)
Der Mensch lebt nicht aus Spontaneität allein. Jeder Psychologe und Pädagoge kann uns zeigen, dass wir Eindrücke, Vorstellungen, Wissen nur in uns aufnehmen, wenn diese Vorgänge sich wiederholen. Das gilt vor allem für personales Tun, für Liebe und Persönlichkeitsreifung. Täglich vollziehen wir, oft ohne es zu merken, die gleichen Handlungen der Hingabe, des Vertrauens, des Einsatzes. Wir geben ein gutes Wort, ein freundliches Lächeln, wir schenken Trost oder kämpfen gegen unsere Unlust, unseren Zorn, unser Rechthabenwollen. Dies alles sind, genau besehen, Einübungen. Gewiss keine, die wir nach Uhrzeit vollziehen. Da wir jedoch dazu neigen, uns leicht zu verausgaben, mehr zu tun als wir können, wäre es notwendig, dass wir doch ein wenig mit der Uhr in der Hand überlegen, wo wir Schweigepausen in unser Tagewerk einfügen können. Oft will uns die Müdigkeit davon abhalten, still zu werden. Wir wollen uns lieber durch irgendeinen Eindruck abreagieren. Zu diesem Zweck sind Atem- und Entspannungsübungen gut, um den müden Körper in die rechte Verfassung, das rechte Hören Gott gegenüber zu bringen.
Edith Stein erklärt, welche Kraft die Feier der Eucharistie gewähren kann, wie sie den Menschen innerlich weit und frei macht, leer von sich selbst, von seinen Sorgen. Stille und Freude, die dem Menschen in der Begegnung mit Gott geschenkt werden, zeigen ihm, dass er nicht aus eigener Kraft wirken kann, sondern dass Gott es ist, der ihn trägt.
Edith Stein beschreibt den Arbeitstag einer Lehrerin, einer Büroangestellten: "Nun beginnt das Tagewerk; vielleicht Schuldienst vier bis fünf Stunden hintereinander. Da heißt es, bei der Sache sein, jede Stunde bei einer anderen Sache. In dieser oder jener Stunde kann man nicht erreichen, was man wollte, vielleicht in keiner. Eigene Müdigkeit, unvorhergesehene Unterbrechungen, Unzulänglichkeit der Kinder, mancherlei Verdrießliches, Empörendes, Beängstigendes. Oder Bürodienst: Verkehr mit unangenehmen Vorgesetzten und Kollegen, unerfüllbare Ansprüche, ungerechte Vorwürfe, menschliche Erbärmlichkeit, vielleicht auch Not der verschiedensten Art. Es kommt die Mittagsstunde. Erschöpft, zerschlagen kommt man nach Hause. Da warten eventuell neue Anfechtungen. Wo ist nun die Morgenfrische der Seele? Wieder möchte es gären und stürmen: Empörung, Ärger, Reue. Und so viel noch zu tun bis zum Abend! Muss man nicht sofort weiter? Nein, nicht ehe wenigstens für einen Augenblick Stille eingetreten ist.
Jede muss sich selbst kennen oder kennen lernen, um zu wissen, wo und wie sie Ruhe finden kann. Am besten, wenn sie es kann, wieder eine kurze Zeit vor dem Tabernakel alle Sorgen ausschütten. Wer das nicht kann, wer vielleicht auch notwendig etwas körperliche Ruhe braucht, eine Atempause im eigenen Zimmer. Und wenn keinerlei äußere Ruhe zu erreichen ist, wenn man keinen Raum hat, in den man sich zurückziehen kann, wenn unabweisliche Pflichten eine stille Stunde verbieten, dann wenigstens innerlich für einen Augenblick sich gegen alles andere abschließen und zum Herrn flüchten. Er ist ja da und kann uns in einem einzigen Augenblick geben, was wir brauchen. So wird es den Rest des Tages weitergehen, vielleicht in großer Müdigkeit, aber in Frieden. Und wenn die Nacht kommt und der Rückblick zeigt, dass alles Stückwerk war und vieles ungetan geblieben ist, was man vorhatte, wenn so manches tiefe Beschämung und Reue weckt: dann alles nehmen, wie es ist, es in Gottes Hände legen und ihm überlassen. So wird man in ihm ruhen können, wirklich ruhen und den neuen Tag wie ein neues Leben beginnen."
In diesen Ratschlägen zeigt Edith Stein eine Meditationsmethode, die jeder anwenden kann. Wichtig ist für sie das Leer- und Stillwerden vor Gott. Um dies zu erreichen, muss man Gewalt gebrauchen, d.h. auch 'Nein' sagen können zu äußeren Umständen, die uns bedrängen, zu Aufgaben, die auf uns lasten, zu inneren Problemen und Unsicherheiten. Das Befreiende, das die Meditation schenkt, ist, dass wir einmal alles loslassen, nicht mehr um uns selbst kreisen, sondern um einen andern, um ein Gegenüber.
Es gibt Menschen, die psychologisch um die reinigende und befreiende Kraft einer Schweige -  Übung wissen, einer Konzentration auf das Nichtdenken, auf die Stille. Als Christen üben wir Schweigemeditation, Leerwerden nicht in erster Linie um dieser Seelenhygiene willen, die sicher nützlich ist, sondern um besser zu erfahren, wer Gott ist, was er von uns will, was der Sinn unseres Lebens ist. Wird dadurch unser Inneres frei, elastisch, anpassungsfähig mitten in mancher Bedrängnis, dann nehmen wir diese Frucht der Meditation gern an. Entscheidend ist, dass wir in der Stille lernen, mit einer Person umzugehen. Eine mit anderen verbrachte Zeit der Stille, in der wir wissen, wir sind vor Gott und in Gott da, hilft uns oft mehr zu gegenseitigem Verstehen, als wenn wir uns angestrengt hätten, viele Gebete zu sprechen.
Oft sind wir gar nicht fähig, irgend etwas zu Gott zu sagen. Wir sehnen uns einfach nach seiner Nähe, wollen bei ihm sein. Friede durchdringt uns, wir fühlen uns wie neugeboren. Dieser Friede gibt uns Kraft, auch in dunklen Stunden auszuhalten, in denen wir Gott nicht fühlen, vielleicht an seiner Liebe, seiner Existenz zweifeln. Auch in dieser Anfechtung sollte man die stille Meditation nicht aufgeben. Wir beten ja nicht, um von Gott befriedigt zu werden, sondern um ihm etwas zu schenken. Die Erfahrung inneren Friedens bewirkt, dass wir uns hergeben und uns weniger wichtig nehmen. Wir kommen über unsere Fehler und Schwächen, über die Art, wie Menschen uns behandeln - ob mit Achtung oder Verachtung - leichter hinweg. Nicht, weil wir die Dinge nicht ernst nehmen, sondern weil wir in der Stille erfahren, wo die wahren Werte des Lebens liegen.
Zu Beginn werden es vielleicht nur kleine Minuten sein, aus denen dann Viertel- oder Halbestunden werden, in denen wir im Tagesablauf einmal ganz allein mit uns, mit Gott sein können. Zunächst wird uns dieses Innehalten im Betrieb des Berufslebens schwer fallen. Je mehr wir jedoch diese Pausen bewusst einlegen, je stärker wir auch den Körper, den Atem an dieser Stille teilnehmen lassen, um so vertrauter wird uns diese Übung.
Edith Stein betont, dass jeder den Weg für sich herausfinden muss, der für ihn der geeignete ist. "Es wird eine wesentliche Aufgabe jeder einzelnen sein," schreibt sie, "zu überlegen, wie sie nach ihrer Veranlagung und ihren jeweiligen Lebensverhältnissen ihren Tages- und Jahresplan gestalten muss, um dem Herrn die Wege zu bereiten. Die äußere Einteilung wird bei jeder anders sein und auch im Lauf der Zeit sich dem Wechsel der Umstände elastisch anpassen müssen. Aber auch die seelische Situation ist bei den verschiedenen Menschen verschieden. Von den Mitteln, die geeignet sind, die Verbindung mit dem Ewigen herzustellen, wach zuhalten oder auch neu zu beleben - Betrachtung, geistliche Lesung, Teilnahme an der Liturgie, an Andachten -, sind nicht alle für jeden und zu allen Zeiten gleich fruchtbar. Die Betrachtung z.B. kann nicht von allen und immer auf die gleiche Weise geübt werden. Es ist wichtig, das jeweils Wirksamste herauszufinden und sich zunutze zu machen." Edith Stein weist also darauf hin, dass unter verschiedenen Menschen verschiedene Formen des Betens und Meditierens bestehen können und müssen.
Die Heiligen und geistlichen Lehrer betonen, dass mystisches Leben ein Sich-Einlassen ist auf die Nähe des lebendigen Gottes. Gott ist nicht der Alleinwirkende. Er nimmt das Tun des Menschen ernst. Der im Glauben von ihm Ergriffene müht sich unablässig, in Gebet und Meditation der göttlichen Nähe bewusst zu werden. Von diesem Bewusstsein hängt sein inneres Glück ab, seine Identität als Christ. Auch Leiden und Schwierigkeiten können den, der vor Gott verweilt im letzten nicht verunsichern, sondern werden ihm Weg sein zu einer eigenen unverwechselbaren Gotteserfahrung.
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Quelle und Literaturhinweis:
Verweilen vor Gott
Waltraud Herbstrith
(Teresia a Matre Dei)
Basel, Wien 1977
S.101-106
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 Brief Edith Steins an Papst Pius XI,
 gefunden auf Shoa.de
4. 12. 1933

 Heiliger Vater!

Als ein Kind des jüdischen Volkes, das durch Gottes Gnade seit elf Jahren ein Kind der katholischen Kirche ist, wage ich es, vor dem Vater der Christenheit auszusprechen, was Millionen von Deutschen bedrückt.

Seit Wochen sehen wir in Deutschland Taten geschehen, die jeder Gerechtigkeit und Menschlichkeit – von Nächstenliebe gar nicht zu reden – Hohn sprechen. Jahre hindurch haben die nationalsozialistischen Führer den Judenhass gepredigt. Nachdem sie jetzt die Regierungsgewalt in ihre Hände gebracht und ihre Anhängerschaft – darunter nachweislich verbrecherische Elemente – bewaffnet hatten, ist diese Saat des Hasses aufgegangen. Dass Ausschreitungen vorgekommen sind, wurde noch vor kurzem von der Regierung zugegeben. In welchem Umfang, davon können wir uns kein Bild machen, weil die öffentliche Meinung geknebelt ist. Aber nach dem zu urteilen, was mir durch persönliche Beziehungen bekannt geworden ist, handelt es sich keineswegs um vereinzelte Ausnahmefälle. Unter dem Druck der Auslandsstimmen ist die Regierung zu 'milderen' Methoden übergegangen. Sie hat die Parole ausgegeben, es solle „keinem Juden ein Haar gekrümmt werden“. Aber sie treibt durch ihre Boykotterklärung – dadurch, dass sie den Menschen wirtschaftliche Existenz, bürgerliche Ehre und ihr Vaterland nimmt – viele zur Verzweiflung: es sind mir in der letzten Woche durch private Nachrichten 5 Fälle von Selbstmord infolge dieser Anfeindungen bekannt geworden. Ich bin überzeugt, dass es sich um eine allgemeine Erscheinung handelt, die noch viele Opfer fordern wird. Man mag bedauern, dass die Unglücklichen nicht mehr inneren Halt haben, im ihr Schicksal zu tragen. Aber die Verantwortung fällt doch zum großen Teil auf die, die sie so weit brachten. Und sie fällt auch auf die, die dazu schweigen.

Alles, was geschehen ist und noch täglich geschieht, geht von einer Regierung aus, die sich „christlich“ nennt. Seit Wochen warten und hoffen nicht nur die Juden, sondern Tausende treuer Katholiken in Deutschland – und ich denke, in der ganzen Welt – darauf, dass die Kirche Christi ihre Stimme erhebe, um diesem Missbrauch des Namens Christi Einhalt zu tun. Ist nicht diese Vergötzung der Rasse und der Staatsgewalt, die täglich durch Rundfunk den Massen eingehämmert wird, eine offene Häresie? Ist nicht der Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut eine Schmähung der allerheiligsten Menschheit unseres Erlösers, der allerseligsten Jungfrau und der Apostel? Steht nicht dies alles im äußersten Gegensatz zum Verhalten unseres Herrn und Heilands, der noch am Kreuz für seine Verfolger betete? Und ist es nicht ein schwarzer Flecken in der Chronik dieses Heiligen Jahres, das ein Jahr des Friedens und der Versöhnung werden sollte?

Wir alle, die wir treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Schweigen nicht imstande sein wird, auf die Dauer den Frieden mit der gegenwärtigen deutschen Regierung zu erkaufen. Der Kampf gegen den Katholizismus wird vorläufig noch in der Stille und in weniger brutalen Formen geführt wie gegen das Judentum, aber nicht weniger systematisch. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird in Deutschland kein Katholik mehr ein Amt haben, wenn er sich nicht dem neuen Kurs bedingungslos verschreibt.

Zu Füßen Eurer Heiligkeit, um den Apostolischen Segen bittend (handschriftlich) Dr. Editha Stein
Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik Münster i.W. Collegium Marianum
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Abschließend noch zwei Zitate von Edith Stein:

"Wenn der Verstand sein Äußerstes wagt,
dann kommt er an seine eigenen Grenzen.
Er zieht aus, um die höchste und letzte Wahrheit zu finden,
und entdeckt, dass all unser Wissen Stückwerk ist."

"Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott,
ob es ihm klar ist oder nicht."

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Ein Foto von Edith Stein
sowie Ausführlicheres zu ihrer Biografie
finden sie hier im Heiligenlexikon.

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