20070820

Heil aus der Wehrlosigkeit Gottes

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Heil aus der Wehrlosigkeit Gottes
März

Seht das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt.    (Joh 1,29)

Die irdische Geschichte Jesu beginnt im vierten Evangelium mit dem Wort des Täufers: Seht das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt. Sie endet mit dem Hinweis darauf, dass kein Bein an ihm zerbrochen wurde und nimmt damit eine Bestimmung aus dem Pasdia-Ritual auf: Das Osterlamm muss fehlerfrei sein; kein Knochen darf an ihm zerbrochen werden (Ex 12,46). Damit unterstreicht Johannes, was er zuvor schon durch seine Datierung des Kreuzesgeschehens angedeutet hatte: Jesus stirbt am Kreuz zu der Stunde, da im Tempel die Paschalämmer geschlachtet werden. Der wahre Tempel ist draußen, vor der Stadt, dort, wo das wirkliche Lamm seine Seite durch die römischen Soldaten öffnen lässt. Das Bild von Jesus, dem Lamm, das der Welt Sünde trägt, rahmt so die ganze irdische Geschichte Jesu. In der Liturgie der Messe steht das Täuferwort, das diese Geschichte eröffnet, an der Schwelle zum Kommunionempfang; es stellt den Zusammenhang her zwischen der historischen Passion Jesu und unserer Liturgie und es will zugleich noch einmal einen Augenblick der Nachdenklichkeit schaffen, ehe wir das Lamm in unsere Hände und in unseren Leib aufzunehmen wagen.
Die Spanne der Fastenzeit, die ihrerseits wie ein ausgestreckter Finger auf das Lamm hin ist, sollte wohl Grund sein, etwas länger besinnlich vor diesem Bild inne zuhalten. „Schaf", „Herde" war in der Sprache des alten Orient ein Bild für das Volk, für die Untertanen, die wie Schafe Eigentum des Hirten, des absoluten Gott-Königs waren, der sie nach seinem Belieben gebrauchen durfte. Was aber soll es bedeuten, wenn der, der eigentlich und allein wahrhaft Hirte ist (Joh 10,11), in diese Welt nicht als Hirte, sondern als Schaf, ja, als das letzte Lamm eintritt? Gott kommt zunächst nicht richtend, verbrennend, wie er es könnte, sondern mittragend, mit liebend, mitleidend. Und gerade so will er uns retten: indem er sich auf unsere Seite stellt. In der Kommunion geschieht dies noch immer: Er legt sich wehrlos und wortlos in unsere Hand — wahrhaft „Lamm" Gottes. Und wohin gerät er da? Wie viel Unrat klebt an diesen Händen, an diesen Leibern, an diesen Seelen, in die hinein er sich ausliefert. Und unsere Antwort? Seine Wehrlosigkeit soll uns vertrauen machen: Wir dürfen unsere Schwachheit ihm übergeben. Aber sie ruft auch in Verantwortung: Die Wehrlosigkeit Gottes sollte uns mehr in den Händen und auf der Seele brennen als seine Macht. Sie sollte uns Verpflichtung sein. Und sie sollte uns dazu führen, in allen Wehrlosen, Leidenden und Bedrängten dieser Welt ihn zu erkennen: Wem das Lamm sich ausliefert, der darf nicht selbst ein Wolf sein. Der sollte versuchen, mit ihm angstlos Lamm zu werden und mit seiner Niedrigkeit (nicht anders) auch seine Herrlichkeit zu empfangen.

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