20070820

Wettlauf zum Auferstandenen

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Der Wettlauf zum Auferstandenen
April

Den ersten Höhepunkt des Johanneischen Berichts von der Osternacht (Joh 20,1-18) bildet die rätselvolle Geschichte vom Wettlauf der beiden Jünger zum Grabe Jesu. Was besagt sie eigentlich? Vielleicht müssen wir uns durch unser Wissen um die literarische Eigenart des vierten Evangeliums nicht unbedingt daran hindern lassen, darin auch einen Ausdruck realer Erinnerung an die erregte Stimmung jenes Morgens zu sehen: das Grab sei leer, aber nicht geplündert — so hatte Maria gemeldet. Was sollte das heißen? Sollte man dem glauben? Hoffnung und Resignation, Glauben wollen und Realismus aus Erfahrung heraus widerstreiten einander, Neugier treibt zur Eile und in alledem bleibt es Nacht... Aber sicher geht es dem Evangelisten um mehr als um das Anekdotische; er schreibt nicht für ein literarisches Publikum, sondern für die Kirche. Was er genau sagen wollte, wird umstritten bleiben, aber eben darum haben wir auch das Recht, den Text im Glauben der Kirche immer neu zu bedenken und an zueignen. Petrus und der Jünger, den Jesus liebte, repräsentieren Realitäten, die in der Kirche weitergehen: den Auftrag des Amtes und die unbeamtete Liebe. Nicht umsonst bleibt der zweite Jünger das ganze Evangelium hindurch anonym; ungenannt verkörpert er die namenlose Schar derer, die Jesus kennen wie ihn die Liebe kennt, und so die bleibende Kraft der Kirche sind. Beide sind auf dem Wettlauf zum Grab des Herrn. Der Ungenannte lässt Petrus den Vortritt, er macht ihm seinen Rang nicht streitig, sein „Primat" ist anderer Art. Und beide gewinnen so je auf ihre Art den Wettlauf. Vielleicht geht uns heute angesichts der Rivalität, die zwischen Amt und Geist so gern beschworen wird, dieser Text auf eine ganz besondere Weise an: Es gibt verschiedene Aufträge in der Kirche. Es gibt einen Primat des Amtes und es gibt einen Primat der anonymen, unbeamteten Liebe. Die einzig rechtmäßige Rivalität in der Kirche aber ist der Wettlauf zum Herrn. Der Wettlauf um mehr Nähe. Um mehr Nachfolge. Um mehr Glaube. Um mehr Leben aus dem Glauben. Kehren wir nochmals zurück. Es ist Nacht. Auch heute. Und auch zu uns kommt Maria, kommt die Kirche, um uns unruhig zu machen durch die Botschaft von dem, was sie gesehen hat. Spinnen wir nicht sogleich unsere Theorien darüber, was sein kann und was nicht sein darf. Werden wir unruhig. Machen wir uns auf den Weg. Zeugin der Auferstehung freilich wurde Maria erst, als der Herr sie anrief. Sie beim Namen nannte. Wer nur wissen will, kann allenfalls einen Gärtner (oder sonst eine Hypothese) finden. Aber wer hört, wird erkennen, dass er mit Namen gerufen wird, und er darf der freudigen Gewissheit der Auferstehung auch dann voll sein, wenn ihm nicht gestattet ist, ihn zu berühren, sondern statt dessen nur der Auftrag ergeht, auch den Brüdern zu sagen: Ja, er ist wahrhaft auferstanden.



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