20070904

Ich glaube an Dich

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Mit allem Gesagten ist freilich der tiefste Grundzug christlichen Glaubens noch immer nicht ausgesprochen : sein personaler Charakter. Der christliche Glaube ist mehr als Option für einen geistigen Grund der Welt, seine zentrale Formel lautet nicht: 'Ich glaube etwas', sondern 'Ich glaube an Dich'.

Vgl. H. Fries, Glauben - Wissen, Berlin 1960, besonders 84-95; J. Mouroux, Ich glaube an Dich, Einsiedeln 1951; C. Cirne-Lima, Der personale Glaube, Innsbruck 1959.

Er ist Begegnung mit dem Menschen Jesus und erfährt in solchem Begegnen den Sinn der Welt als Person. In Jesu Leben aus dem Vater, in der Unmittelbarkeit und Dichte seines betenden, ja, sehenden Umgangs mit ihm ist er der Zeuge Gottes, durch den hindurch der Unberührbare berührbar, der Ferne nahe geworden ist. Und mehr: Er ist nicht bloß der Zeuge, dem wir glauben, was er geschaut hat in einer Existenz, die wahrhaft die Wende vollzogen hatte von der falschen Bescheidung aufs Vordergründige in die Tiefe der ganzen Wahrheit hinein; nein, er ist die Anwesenheit des Ewigen selbst in dieser Welt. In seinem Leben, in der Vorbehaltlosigkeit seines Seins für die Menschen, ist der Sinn der Welt Gegenwart, er gewährt sich uns als Liebe, die auch mich liebt und mit solch unfasslichem Geschenk einer von keiner Vergänglichkeit, keiner egoistischen Trübung bedrohten Liebe das Leben lebenswert macht. Der Sinn der Welt ist das Du, freilich nur jenes, das nicht selbst offene Frage, sondern der keines anderen Grundes bedürfende Grund des Ganzen ist.

So ist der Glaube das Finden eines Du, das mich trägt und in aller Unerfülltheit und letzten Unerfüllbarkeit menschlichen Begegnens die Verheißung unzerstörbarer Liebe schenkt, die Ewigkeit nicht nur begehrt, sondern gewährt. Christlicher Glaube lebt davon, dass es nicht bloß objektiven Sinn gibt, sondern dass dieser Sinn mich kennt und liebt, dass ich ihm mich anvertrauen kann mit der Gebärde des Kindes, das im Du der Mutter all sein Fragen geborgen weiß. So ist Glaube, Vertrauen und Lieben letztlich eins, und alle Inhalte, um die der Glaube kreist, sind nur Konkretisierungen der alles tragenden Wende, des 'Ich glaube an Dich' - der Entdeckung Gottes im Antlitz des Menschen Jesus von Nazareth.

Freilich hebt dies das Nachdenken nicht auf - das haben wir oben bereits gesehen. "Bist du es wirklich?" - das hat schon Johannes der Täufer angstvoll in einer dunklen Stunde gefragt, der Prophet also, der seine Jünger selbst zum Rabbi aus Nazareth gewiesen und ihn als den Größeren bekannt hatte, für den er nur Vorbereitungsdienste leisten konnte. "Bist Du es wirklich?" Der Glaubende wird immer wieder jenes Dunkel erleben, in dem der Widerspruch des Unglaubens ihn wie ein düsteres, unentrinnbares Gefängnis umgibt und die Gleichmütigkeit der Welt, die unverändert weitergeht, als ob nichts geschehen wäre, nur Hohn auf seine Hoffnung zu sein scheint. Bist du es wirklich - diese Frage müssen wir nicht nur stellen aus der Redlichkeit des Denkens heraus und wegen der Verantwortung der Vernunft, sondern auch aus dem inneren Gesetz der Liebe, die den mehr und mehr erkennen möchte, dem sie ihr Ja gegeben, um ihn mehr lieben zu können. Bist du es wirklich - alle Überlegungen dieses Buches sind letztlich dieser Frage zugeordnet und kreisen so um die Grundform des Bekenntnisses: Ich glaube an Dich, Jesus von Nazareth, als den Sinn ('Logos') der Welt und meines Lebens.


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Literatur und Quellenhinweis:

Joseph Ratzinger
Einführung in das Christentum

Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis
München, 1968

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